Weisheit und Feingefühl eines afghanischen Philosophen
Ins Deutsche übertragen von Ingrid von Heiseler
Metagrapho Wolfsburg und Afghanic Bonn 2019
Gul Pacha Ulfat (1909 – 1977) war Dichter, Philosoph, Politiker und Professor. Ulfat wurde in einem kleinen Dorf in Laghman in Ost-Afghanistan geboren und wuchs dort auf. Erfahrungen, die er in seinem Heimatdorf machte, formten sein Denken und Schreiben. Diese Erfahrungen nahm er auch in die moderne Stadt Kabul mit. Er wurde dreimal in die Nationalversammlung gewählt und vertrat dort zwei verschiedene Distrikte. Er arbeitete bei einer Zeitung und gründete eine andere. An der Universität Kabullehrte er Pashto-Sprache und -Literatur. Er stieg zum Direktor der Pashto-Akademie auf. Er verfasste einige Bücher über religiöse, ethische, politische und soziale Angelegenheiten sowohl in dichterischer Form als auch in Prosa. Er war eine der führenden Persönlichkeiten der Pashto-Literatur im zwanzigsten Jahrhundert. Seine Schriften spiegeln eine Zeit wider, in der die Pashto-Kultur mit ihr bis dahin unbekanntem Fortschritt und der Moderne in Berührung kam.
Vorwort des Herausgebers der deutschen Ausgabe
Warum haben wir dieses Buch ins Deutsche übersetzt und publizieren es und warum sollte das Buch Leser finden?
Als Kind habe ich viele Bücher in meiner Muttersprache Pas(c)hto* gelesen. Darunter war ein Buch, in das ich immer wieder reingesehen oder das ich immer wieder ganz und gar gelesen habe. Jedes Mal, je nachdem in welchem Alter ich war und wie meine Lebensumstände und meine Gedanken waren, habe ich für mich Interessantes, Neues und auch Aktuelles in dem Buch entdeckt. Eine Übertragung ins Deutsche eben dieses Buches halten Sie jetzt in der Hand.
Bekanntlich sind Afghanen eher ein erzählendes als ein schreibendes Volk. In den Jahrhunderten davor wurde nur Dichtung aufgeschrieben. Erst im 20. Jahrhundert wurde auch Prosa geschrieben, denn Schreiben und Lesen hatten sich immer mehr etabliert und verbreitet.
Unter den Pionieren des Schreibens nimmt der Autor dieses Buches Gul Pacha Ulfat eine hervorragende und besondere Stellung ein. Viele Schriftsteller übernahmen seinen Schreibstil; sie betrachteten ihn als ihren Meister und sich selbst als seine Schüler.
Gul Pacha Ulfat hat die Probleme, deren Ursachen und die Herausforderungen in seiner Umwelt genau beobachtet, erkannt und darüber geschrieben, und das in einer sehr schönen, einfachen und leicht verständlichen Sprache.
Wenn ich ihn heute lese, habe ich das Gefühl, dass er lebt und unsere heutige Welt beschreibt. Das ist das Besondere an seinen Schriften und eben dafür bewundere ich ihn.
Ulfat war lebenslang auf der Suche nach Wahrheit. Er hat sie in der Natur, in den Ereignissen und in den Menschen und ihren Eigenschaften gesucht und ist dabei immer weiter in die Tiefe gegangen. Er versuchte seine Beobachtungen zu verstehen und zu erklären. In dem, was er beobachtete, fand er Gesetzmäßigkeit und Übertragbarkeit, dazu Einzigartigkeit und zugleich Universalität.
Dieses Werk gewährt dem deutschen Leser einen einmaligen und tiefen Einblick sowohl in die Seele der Afghanen als auch in die Pashto-Literatur.
Ich bin Frau Ingrid von Heiseler zu tiefem Danke verpflichtet. Sie hat nicht nur dieses Werk übersetzt, sondern auch die Autobiographie von Badshah Khan und mehrere weitere Bücher über ihn, den Diwan von Rahman Baba, Meli Hindara (Spiegel der Nation) und die Kurzgeschichten Erinnerungen aus einem afghanischen Dorf von M. Zarin Anzor.
Ich hoffe, dieses Buch wird die im deutschsprachigen Raum ansässigen Afghaninnen und Afghanen dazu anregen, für die Übersetzung von Werken afghanischer Schriftstellen ins Deutsche und von Werken deutscher Schriftsteller in die afghanischen Sprachen zu sorgen. Damit würden sie einen wichtigen Beitrag zur tieferen Verständigung zwischen den beiden Nationen und zwischen den hier lebenden afghanischen und deutschen Lesern und Leserinnen leisten. Dr. Yahya Wardak, Sommer 2019